Ein Gewerk schaffen…?

Ich hatte dieser Tage eine Diskussion über Sinn und Zweck von Gewerkschaften. Und mein Gegenüber vertrat die Ansicht, dass sich Gewerkschaften nur zu gerne als Hüter der sozialen Gerechtigkeit aufspielen, jedoch tatsächlich lediglich die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber Anderen, zuerst den Arbeitgebern aber auch der Gesellschaft insgesamt vertreten würden. Dass die Streiks kleiner Spartengewerkschaften wie etwa Cockpit oder GdL das Ansehen von Gewerkschaften insgesamt noch weiter beschädigen würden, obwohl doch der Nutzen nur sehr Wenigen zu Gute käme. Einem sozialdemokratischen Reflex in mir folgend habe ich Gewerkschaften auf Grund ihrer Errungenschaften für die Rechte von Arbeitnehmern verteidigt, doch es fiel mir schwer, zu dem Zeitpunkt diese Argumente zu entkräften. Vielleicht, weil ich selbst als Mitglied mittlerweile in dem Problem gefangen bin, welches alle großen Gewerkschaften haben: sie sind in ihren eigenen Ritualen erstarrt und haben es sich in neokorporatistischen Arrangements bequem gemacht!

In der Tat wirken junge Leute, die bei einem Gewerkschaftstreffen auf der Bühne Arbeiterkampflieder zum Besten geben, wie ein Anachronismus; andererseits beziehen solche Zusammenschlüsse von Arbeitnehmern ihre eigentliche Schlagkraft aus dem Wir-Gefühl, aus der Solidarität, die gemeinsame Werte und Zielvorstellungen zu schaffen in der Lage sind. Trotzdem hat zum Beispiel Verdi seit 2001 über 750.000 Mitglieder verloren – das entspricht etwa 36,4% der Mitgliederzahl von 2001! Woran das liegt, kann ich hier nur spekulieren, ich würde allerdings vermuten, dass neue Generationen von Werktätigen in den Dienstleistungsbranchen auf Grund der geschrumpften Reallöhne und der gewachsenen Arbeitsbelastung durch Arbeitsverdichtung keinen Sinn im gewerkschaftlichen Tun mehr sehen konnten und daher das 1% vom Bruttolohn lieber anderweitig verwendet haben. Da hapert es mit den gemeinsamen Werten und den Zielvorstellungen doch erheblich!

Ich betrachte das als ein wenig kurzsichtig, denn gesellschaftlicher Wandel geschieht langsam; so auch ein Umdenken bei Arbeitgebern, die feststellen müssen, dass immer mehr ihrer Packesel nach immer kürzeren Strecken unter der Last zusammenbrechen, die sie denen frecherweise aufgebürdet haben. Die drastisch gestiegene Zahl an Krankentagen auf Grund psychischer Erkrankungen, welche selbst die Krankenkassen mittlerweile anscheinend alarmiert hat, spricht hier Bände. Tatsächlich sind die Gewerkschaften hieran durchaus mit Schuld, da sie sich im jährlich wiederkehrenden Ritual des Tariftanzes auf festgelegte Pfade haben zwingen lassen und ein gutes Stück ihrer Kraft auf die, weitestgehend mit vorhersehbaren Ergebnissen gesegneten, Tarifverhandlungen verwendet haben, obwohl an anderer Stelle die Arbeitsbedingungen immer mieser wurden. Man fühlte sich auch nicht zuständig für Menschen mit Zeit- oder Werkverträgen, für Leasingarbeit und das damit oft einher gehende Lohndumping. Die Gewerkschaften bewiesen hier vor allem eines: ihren Wunsch nach Selbst- und Machterhalt im neokorporatistischen System, weshalb sie sich zu Kompromissen haben drängen lassen, die eigentlich untragbar waren und dieses Pfund kommt jetzt zurück. Allerdings entwertet das alles nicht die gestalterische Kraft, die solche Vereinigungen immer noch haben können, wenn sie sich dieser nur erinnerten.

Das Kampfstichwort des frühen 21. Jahrhunderts ist nicht der Tariflohn, sondern die Arbeitsverdichtung. Hier einzuschreiten und Arbeitgebern die Stirn zu bieten tut dringend Not. Aber noch viel wichtiger ist, für jene mit zu streiten, die selbst zu schwach sind, oder den wahren Sinn einer Gewerkschaft nicht mehr erkennen: nämlich den Arbeitnehmern eine Stimme zu geben, die überall gehört werden muss. Den Mitgliedern ist das Alles sehr wohl bewusst, doch mit den Vertretern von Gewerkschaften ist es ein bisschen wie mit den Volksvertretern – hat man sie mal gewählt, machen sie, was ihnen, beziehungsweise ihrer Fraktion als richtig erscheint. Getreu dem alten Motto: wer glaubt das ein Volksvertreter das Volk vertritt, glaubt auch dass ein Zitronenfalter Zitronen faltet… Abseits der Polemik bleibt jedoch zu verzeichnen, dass wir ohne Gewerkschaften immer noch über 50 Stunden die Woche arbeiten würden, keinen halbwegs vernünftigen Kündigungsschutz hätten, Arbeitssicherheit keinen so hohen Stellenwert genösse und wesentlich weniger Menschen mit halbwegs auskömmlichen Einkommen leben müssten.

Wer sich ein wenig mit der Entwicklung demokratischer Staatswesen befasst – ich empfehle an dieser Stelle Colin Crouchs Bücher „Postdemokratie“ und „Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus“ – dem ist bewusst, dass all diese Errungenschaften nur auf Zeit sind und das es immer wieder nötig ist, für seine Rechte einzutreten, notfalls auch zu kämpfen. Die Demokratie ist die am wenigsten schlechte Regierungsform, um es mit Winston Churchill zu formulieren, aber sie ist gegenwärtig die Beste, die wir haben und Gewerkschaften sind ein wichtiger Teil davon; ein Baustein zum Erhalt von sozialer und politischer Teilhabe. Zweifelsohne gibt es noch einiges, das nicht erreicht wurde, und ebenso haben Gewerkschaften viele Fehler gemacht. Deshalb jedoch das Prinzip in Frage zu stellen, halte ich, wie schon erwähnt, für gefährlich kurzsichtig. In einem so komplexen Gebilde wie einer entwickelten Industriegesellschaft müssen auch ebenso komplexe Strukturen wie Gewerkschaften sich von Zeit zu Zeit neu verorten, vielleicht sogar neu erfinden. An einem solchen Punkt sind wir angelangt und ich bin gespannt, wohin der Weg führen wird – hoffentlich mit starken Gewerkschaften als Partner und Vertreter aller Arbeitnehmer!

Smalltalk statt serious content?

Wir haben an dem Tag, da ich diese Worte schreibe den 19 Oktober und ich sitze in T-Shirt und kurzer Hose im Garten. Eigentlich ist es ja eher nicht mein Ding, mich zum Wetter zu äußern, denn bei diesem Thema gibt’s wenig argumentative Arbeit. Das Wetter ist wie das Wetter ist wie das Wetter. Andererseits soll man ja an den Klimadaten schon sehen können, wohin unsere Treibhausgaserei uns noch führen wird; nämlich ins Armageddon. Hm… es gehört auch nicht unbedingt zu meinem Portfolio Katastrophenszenarien zu entwerfen, wie das amerikanische Doku-Sender immer wieder tun. Kann man super an unseren Nachrichtenkanälen beobachten, wenn man mal nicht zur Primetime einschaltet. Da ist vom Meteoriteneinschlag, über Sonneneruptionen, Aliens und natürlich auch Klimakatastrophen und Kriege alles dabei, was das Herz zum Verdüstern braucht. Früher hat man sich zum Gruseln Freddy Krüger oder Jason Vorhees reingezogen, heute reichen dazu wenig seriös aufgemachte Dreiviertelstünder auf dem Newschannel. Es verwundert auch wenig, dass alle 12-13 Minuten Werbepause ist. Das folgt dem schon lange bekannten Muster, den Konsumenten zu immer kürzeren Aufmerksamkeitsspannen zu erziehen. Denn wer ungeduldiger ist, kauft öfter Neues, weil die Befriedigungsdauer zusammen mit der Aufmerksamkeitsspanne ebenso sinkt.

Aber allen potentiellen Katastrophen zum Trotz – fiktiven, wie wahren – gilt das Wetter als Part des Smalltalks, des gepflegten Austausches von Unwichtigkeiten. Nun gehört zur Fähigkeit der Konversation – und zu dieser Disziplin zählt auch der Smalltalk – die Kenntnis um die korrekte Unterscheidung von nichtig und wichtig, sowie ein Grundverständnis für größere Zusammenhänge. Nichts ist für mich bei einem Gesprächspartner nervtötender, als feststellen zu müssen, dass hinter einigen Allgemeinplätzen und viel heißer Luft wenig substantielles bleibt, was die Hoffnung auf eine interessante und eventuell sogar tiefschürfende Unterhaltung nähren könnte, nachdem das gefällige Blendwerk abgebrannt wurde. Ich habe kein Problem, wenn jemand zu einem Thema nichts beizutragen weiß, es gibt jede Menge Dinge, von denen ich nicht den leisesten Schimmer habe. In solchen Fällen soll Zuhören helfen, denn dabei kann man unter Umständen etwas lernen. Was ich jedoch auf den Tod nicht ausstehen kann, sind Menschen, die versuchen, sich mit gefährlichem Halbwissen, ein bisschen Hörensagen und einem aufgeblähten Ego in jede sich bietende Kommunikationssituation zu drängen; wenn man mit den Wölfen heult, sollte man auch wissen, wie gebissen wird.

Abseits dieses Exkurses findet man rasch wieder zur eigentlich interessierenden Frage: ist das Wetter ein Thema für Smalltalk, oder vielleicht doch serious content. Und die ist aus meiner Sicht ganz einfach zu beantworten. Wenn man nur wenig Ahnung davon hat, sollte man es beim Smalltalk belassen. Ich bin kein Meteorologe, Physiker und was weiß ich, was für Fachrichtungen sich noch damit befassen … als Dendrochronologen tätige Botaniker kämen vermutlich auch noch in Betracht. Daher kann ich zum Thema Klimawandel aus wissenschaftlicher Sicht nichts Sinnvolles beitragen. Allerdings regt mich die aus meiner ganz persönlichen Sicht ungewöhnliche Witterung zum Nachdenken an. Und alsbald bin ich wieder bei der einen Frage, die mich in der letzten Zeit dauernd umtreibt: wann werden jene, die angetreten sind, uns zu regieren – oder auch zu beherrschen, das hängt ja immer von der jeweiligen Perspektive des Handelnden ab – endlich zur Kenntnis nehmen, dass wir Menschen wichtiger sind, als jedwedes geopolitisch-wirtschaftliche Machtinteresse? Weil wir Menschen jeden Staat auf dem Erdenrund konstituieren. Und weil wir, diese Menschen, jeder in sich drin, einfach nur Menschen sind, mit menschlichen Bedürfnissen, Interessen und Sehnsüchten, menschlichen Konflikten, Sorgen und Problemen.

Aus dieser Sicht könnte es eigentlich egal sein, ob man Smalltalk macht, der Menschen einander näherzubringen helfen kann, oder ob man über ernsthafte Themen redet, die uns alle angehen. Eigentlich hat jedes Sujet diese zwei Seiten, doch ob man mit der Medaille richtig umgehen kann bestimmt, ob wir miteinander auskommen oder nicht. Immer wieder von der einen Ebene zur Anderen wechseln zu können, ohne Brüche zu erzeugen, ohne das Interesse oder den Respekt für das Gegenüber zu verlieren; erst dieses Verständnis stiftet ein Miteinander. Doch solange so viele Individuen Kommunikation als Ort der Selbstdarstellung missbrauchen, anstatt in einen ehrlichen und respektvollen Dialog einzutreten, solange das Ego alles Handeln diktiert und jedes Gespräch wie ein Kampf geführt wird, bleiben wir weiter mit Highspeed auf dem Highway der Missverständnisse und Konfrontationen – zu schnell, um je eine Ausfahrt erkennen zu können. Lehnt euch doch alle mal zurück und versucht euch selbst beim Reden zuzuhören. In diesem Sinne, eine schöne Woche.

A snipet of anger!

Ich bin Betriebsrat. Schon ein paar Jahre jetzt. Die Arbeit macht nicht immer Spaß, sie ist oft gekennzeichnet von ermüdenden Diskussionen um Details; es sind jedoch die Details, an denen sich Geister scheiden und es sind die Details, mit denen Schlachten entschieden werden. Überdies gibt es zwar ein paar Möglichkeiten, seinem Arbeitgeber das Leben sauer zu machen und Dinge auch gegen dessen Willen durchzusetzen; doch einerseits muss man mehr als nur ein paar Monate mit seinem AG koexistieren und andererseits braucht man vielleicht eine Weile später für etwas viel Wichtigeres sein ganzes positives Karma – das man sich dann ein paar Monate zuvor versaut hat. Das jemandem zu erklären, der das Gremium als „Betrugsrat“ bezeichnet und immer nur seine eigenen, ganz persönlichen Belange sieht, ist verschwendete Zeit. Also spare ich mir die Luft, schlucke meine Wut hinunter, atme langsam durch und fragt zuerst, ob er eine ehrliche, erklärende Antwort wünscht. Das ist zumeist NICHT der Fall, weil derjenige ja einfach nur seinen Frust bei einem abladen will. Da bin ich dann schon auf 180 und sage: „Ist OK, du hast deine Meinung, ich werde daran nichts mehr ändern, also habe ich keine Lust, jetzt darüber zu reden.“ Und dann ist so eine Person oft auch noch verärgert, weil man keinen Bock hat, ihr beziehungsweise ihm nach dem Munde zu reden!

Und dann, genau dann möchte man so richtig aus der Haut fahren, demjenigen einfach eine Schmieren um festzustellen, ob er überhaupt noch was spürt; „meine Faust will in sein Gesicht, und darf nicht; und darf nicht…“. Meinen Dank an Herbert Grönemeyer für diese Textzeile. Solche Leute machen mir das Leben sauer und schüren in mir den Wunsch, mein Amt hinzuschmeißen, wegzurennen und sie einfach ihrem selbstverschuldeten Schicksal zu überlassen. Leider bin ich dafür zu gut. Nein schönen Dank, ich bin nicht narzisstisch, nur arrogant; aber DAS musste einfach mal gesagt werden. Also nochmal für alle, die mich mal wieder unverschämter Weise mit ihrem Dreck anbaggern wollen: ich bin NICHT eure Müllhalde, NICHT euer Therapeut und NICHT euer Sandsack! Erzählt es der Parkuhr, oder noch besser, SCHREIBT ENDLICH MAL EINE BESCHWERDE AN DEN BETRIEBSRAT, anstatt immer nur am Wasserloch rum zu heulen, ihr Spacken. Schönes Leben noch!

Kampf dem ISmus…

An humanitäres Elend haben uns die Nachrichten in den vergangenen Jahrzehnten gewöhnt. Ich kann mich an kaum eine seriöse Nachrichtensendung der letzten dreißig Jahre – oder wie lange ich das schon halbwegs bewusst verfolge – erinnern, in der nicht von der einen oder anderen Ecke der Welt die Rede war, die gerade niederbrannte. Fast scheint es, als wenn die Zahl der Hiobsbotschaften sich in den letzten Jahren stetig nach oben entwickelt hätte. Die Krisen wechselten einander zumeist im Monatstakt ab, die eine oder andere kam und blieb – mehr oder weniger ungelöst bis heute – aber daran hat man sich gewöhnt. Politiker brauchen solche Krisen, oder zumindest die Bilder davon in den Köpfen der Menschen, denn ohne substantielle Existenzängste kommt das Volk womöglich auf die Idee, nach mehr Demokratie zu fragen. Manchmal passieren auch bemerkenswerte Dinge, die zunächst Hoffnung schüren; wir erinnern uns vielleicht an die Büchse der Pandora. In einer Version des Mythos war das letzte Übel, welches daraus entfleuchte und auf die Welt losgelassen ward, die Hoffnung.

Der arabische Frühling von 2011 war so ein Ereignis. Beschaut man sich heute nüchtern die Ergebnisse, wurde wohl doch der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. In Tunesien ringt man tatsächlich bemüht um Demokratie, doch das soziale Elend ist seit dem Fall der Autokraten erheblich gewachsen, weshalb Tunesier auch einen nicht unerheblichen Teil der IS-Truppen stellen. Krieg ist besser als gar kein Job. Libyen liegt im Chaos. Keine zentrale Regierungsgewalt, verschiedene mehr oder weniger radikale, islamische Milizen ringen um die Macht und das soziale Elend ist seit dem Fall der Autokraten erheblich gewachsen. In Ägypten regiert faktisch wieder das Militär, was keinen nennenswerten Unterschied zum alten Regime macht, mit einem Unterschied: das soziale Elend…; Moment habe ich das gerade eben nicht schon mal gesagt? Und Syrien? Wäre das Elend, welches im Beharren auf die alten Strukturen vom Regime Assad über die Zivilbevölkerung gebracht wurde, nicht so niederschmetternd, könnte das Ganze auch einem Film von Sascha Baron Cohen entsprungen sein, so vollkommen überzogen wirkt die Rhetorik des Autokraten.

Und nun der Islamische Staat. Es ist die Schuld einer Koalition gegen den Terror, dass dieses Regime des totalen Terrors überhaupt entstanden ist. „There are weapons of mass destruction in Iraq!“. Diese eine, perfide orchestrierte Lüge hat die ganze Region ins Chaos gestürzt. Ich sage nicht, dass zum Beispiel das Regime von Saddam Hussein irgendeine Form von Rechtsstaatlichkeit gehabt hätte und die Verbrechen an den Kurden im Norden des Irak waren zweifellos furchtbar. Aber dieses Regime zu stürzen und sich dann, als ruchbar wurde, dass ein solcher, asymmetrischer Konflikt selbst für die höchst entwickelte Streitmacht unserer Welt nicht zu gewinnen ist, überstürzt zurückzuziehen, weil die Inlandsumfragen schlechte Werte für den Präsidenten verkündeten, beinhaltet eine ganze Kette historischer Fehler. Vom Kampf gegen die Taliban in Afghanistan, an dem unsere eigenen Truppen beteiligt waren kann man auch nicht behaupten, dass er ein voller Erfolg gewesen wäre. Zwar sind dort die extremen Kräfte gegenwärtig trotz all ihrer grausamen Bemühungen nicht in der Lage, das Blatt entscheidend zu wenden, aber Frieden sieht anders aus!

Historische Dramen kennen Sieger und Verlierer. Doch im Kampf gegen IS gibt es keinen Sieg, weil keine Schlachten geschlagen werden. Die Nomenklatur vergangener Konflikte hier anzuwenden ist schlicht falsch, denn die Truppen des islamischen Staates sind zum größten Teil feige aus dem Hinterhalt agierende, hochmobile, gut ausgestattete Guerillas, die organisiertes Verbrechen wie Prostitution, Glücksspiel, Menschenhandel und Schmuggel nutzen, um ihre Terroroperationen zu finanzieren; und das im Namen wahren Glaubens. Eigentlich ist der IS nichts weiter als eine große Mafiabande, nur dass sie ihre Exekutionen öffentlich vornehmen. Die Unterschiede zu anderen Staaten in der Region, wie etwa Saudi Arabien, die ja „wichtige Verbündete“ darstellen, sind übrigens marginal. Nur bei den Saudis sieht man nicht alltäglich im hiesigen Fernsehen, wie deren Frauen unterdrückt und alle mit einer abweichenden Meinung drangsaliert, eingesperrt und gefoltert werden. Die Türkei sieht zu, weil sie hofft, dass der IS Bashar al Assad endgültig das Rückgrat bricht. Man hofft von diesem Machtvakuum in Syrien zu profitieren und wartet, während Unschuldige abgeschlachtet werden. Der Westen bombardiert, wie stets mit „chirurgischer Präzision“ dort, wo er den Feind vermutet, scheut sich aber, Bodentruppen zu schicken, weil man ein Desaster wie im Irak oder in Afghanistan befürchtet, wo all die Macht zu nichts nutze war, weil man sich den Taktiken des Feindes nicht anzupassen wusste.

Dieser Konflikt offenbart nicht nur die tatsächliche Unfähigkeit des Militärs, gegen Verbrecher zu kämpfen, sei es aus organisatorischen, technischen oder ideologischen Gründen, sondern auch die Unfähigkeit der Politik, auf grundlegende Fragen des 21. Jahrhunderts Antworten zu geben: Wie geht man mit radikalfundamentalistischen, staatsfeindlichen Strömungen, gleich welcher Couleur um? Wie bringt man Gläubige verschiedenster Religionen und eher säkular orientierte Menschen zusammen, ohne dass sie anfangen, sich gegenseitig umzubringen? Wie viel Rede- und Meinungsfreiheit muss eine vitale Demokratie gewähren und ab wann muss sie einschreiten? Wie bringt man die Politik dazu, endlich den Menschen, welche jeden Staat konstituieren die Priorität vor geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen einzuräumen, die ihnen schon immer zusteht?

Wie viele Unschuldige müssen diese Verbrecher noch abschlachten, bevor man einfach das tut, was jetzt – zumindest aus meiner Sicht – das sinnvollste wäre: nämlich alle, denen Gefahr durch den islamischen Staat droht, in Sicherheit bringen, den IS im dann verbleibenden Territorium international isolieren, alle Ressourcen- und Finanztransaktionen unterbinden und ihnen dann gelassen dabei zusehen, wie sie sich selbst zu Grunde richten! Das bedürfte einer gewissen Geduld und mit Sicherheit hätte man dort noch ein, zwei Jahre Zulauf. Aber wer drin ist, ist drin und darf auf eigenes Betreiben mit untergehen. Und wenn dieses politische Großexperiment beendet wäre, hätte man ein Exempel für die Weltgemeinschaft, wie es NICHT geht. Ob wohl irgendjemand etwas daraus lernen würde? Da es aber am Mut, an der Entschlossenheit und dem Interesse an den Menschen mangelt und stets nur geopolitisches Kampfschach gespielt wird, darf das Krebsgeschwür weiter wachsen und noch viele vergiften bzw. töten. Und wenn der Terror endlich auch in unseren Straßen angekommen ist, beginnt man vielleicht darüber nachzudenken, dass isolationistisches Denken à la „mein Staat, dein Staat“, keine Zukunft mehr hat. Schöne Woche noch…

A snipet of delay

Hoppla, schon wieder 2 Wochen rum? Es wäre wohl ein bisschen zu billig, wenn ich jetzt sagte, dass je älter man wird, das Leben umso schneller an einem vorbei fliegt. Zum einen ist diese Äußerung, zugegeben schon wieder, ein Allgemeinplatz, der deutlich überstrapaziert ist. Und zum anderen stimmt es nicht wirklich. Eine Sekunde ist eine Sekunde ist eine Sekunde. Zeiteinheiten sind messbar und ich könnte mich nicht daran erinnern, mal davon gehört zu haben, dass sich ihre Dauer immer mal wieder ändern würde. Außer vielleicht am Ereignishorizont eines Schwarzen Loches, wo Raum und Zeit als Kategorien, wie wir sie kennen, zumindest den Theoremen der Astrophysik nach ihre Bedeutung verlieren. Da ich aber niemanden kenne, der diese Erfahrung schon mal gemacht hätte…

Wahrheit gewinnt diese Beobachtung jedoch auf der subjektiven Ebene. Zum Beispiel, wenn wir auf etwas warten, sehnsüchtigst warten. Dann dehnt sich die Zeit. Der gegenteilige Effekt ist leider häufig im Urlaub zu beobachten. Hach wie schnell waren diese drei Wochen jetzt wieder rum. Allem substanzlosen Geschwafel zum Trotz, welches zu diesem Thema zur Bewegung erwärmter Luft produziert wird…; ach halt, das substanzlose Geschwafel soll ja meistens dazu dienen, Ratgeberbücher zu vermarkten, die einen üblicherweise alle auf das Gleiche hinweisen: seine Zeit achtsamer zu nutzen, indem man sich vorher Pläne macht und den jeweiligen Zeitbedarf sauber kalkuliert. Sich Freiräume zu schaffen. Der Fremdverfügung über die eigene Zeit Absagen zu erteilen, wo immer es möglich ist. Die Work-Life-Balance besser austarieren. Und so weiter und so fort.

Meine Erfahrungen dazu sehen so aus: Menschen brauchen keine Seminare oder Ratgeberbücher, um sich wieder ein bisschen freier zu fühlen. Denn indem ich Zeit und Geld darauf verschwende, mir mehr Zeit zu verschaffen, erreiche ich nur eines – pekuniären Verlust. Wenn ich Glück habe, ist es nur ein Nullsummenspiel. Man kann die eigene Komfortzone des zeitlichen Aufwandes für dies oder jenes selbst herausfinden. Nur in den Fällen, da der Drang zur Perfektion, zur Selbstausbeutung, zum High-Performer-Dasein krankhafte Züge annimmt, wie das zum Beispiel bei mir persönlich der Fall war, ist es notwendig, sich Hilfe zu suchen. Darauf folgt ein, im Zweifelsfall mentoriell betreuter Lernprozess, um wieder an der Ort der Annehmlichkeit im Leben zurück zu finden. In aller Regel ist das keine Sache von ein paar Wochen, sondern eher von Monaten oder gar Jahren, weil – wie ein altes Sprichwort so schön und richtig sagt – schlechte Angewohnheiten nur langsam sterben! Aber es ist möglich und mit der richtigen Anleitung gar nicht mal so schwer.

Ein viel größeres Problem stellen da die Arbeitgeber dar. Der Zwang zur Selbstoptimierung wird uns im Zusammenhang mit dem Arbeitsleben all überall gepredigt; wir müssen unsere Effizienz optimieren, das geht schneller, da ist mehr drin, man muss es nur rausholen, alle anderen sind besser als DU… einen Bullshit sind sie und einen Bullshit muss ich! Arbeitsverdichtung ist entgegen dem Diktum des durchschnittlichen Controllers oder Unternehmensberaters nicht beliebig zu steigern und es ist verdammt nochmal an der Zeit, dass die sogenannten Bosse, die nur allzu oft auch keinen besseren Durchblick haben als ich, endlich verstehen, dass ICH und nicht das Geld, oder irgendwelche Geräte das wichtigste Kapital bin, über welches sie verfügen. Und dass ich es wert bin, meinen Bedürfnissen Rechnung getragen zu sehen, anstatt dauernd gegängelt zu werden. Wertschätzung, Respekt und weniger Stress durch unnötige/unsinnige Aufgaben, ausreichende Pausen und eine leistungsadäquate Entlohnung – was das individuell bedeutet, darf und muss natürlich diskutiert werden – und schon laufe ich und laufe ich und laufe ich, wie der VW-Käfer aus der Werbung. Wenn jedoch jemand von mir Unbilliges verlangt, so wird er meine Unwilligkeit und die aus ihr erwachsenden Konsequenzen erfahren! Gilt übrigens nicht nur für meinen Boss sondern auch für meine Kollegen! Schönen Tag noch.