DAS Internet gibt’s nicht!

So komisch der Satz im ersten Moment auch klingen mag – insbesondere wenn er über DAS Medium verbreitet wird, von dem gerade die Rede ist – das Internet als EIN ungeteiltes Netz, an dem ALLE partizipieren können gibt es nicht und die Gründe dafür sind mannigfaltig. Zum einen rein technischer Natur, denn das Eine Internet besteht einfach aus vielen kleineren Einheiten, die miteinander kommunizieren können; wichtig ist hier das Wort „können“, den müssen tun sie das nicht, sonst könnten chinesische Surfer einfach so Seiten besuchen, die tatsächlich heute von der staatlichen Zensur blockiert werden. Das weltweite Informationsgewebe ist somit als Analogie gar nicht so verkehrt, denn überall zwischen den Fäden gibt es Löcher, wie bei einem normalen Spinnennetz erkennt man die Struktur des Gebildes nicht auf Anhieb und um von einer Seite zur anderen zu kommen muss man manchmal Umwege gehen.

Abseits der technischen Belange, deren Problematik zum Beispiel unter dem Aspekt der Netzneutralität diskutiert werden kann ist da aber auch die Frage nach der Gesinnung. Viele behaupten gerne, das Internet als nicht-regulierte Entität sei ein Raum reiner Demokratie. Diese Aussage ist schlicht Bullshit, denn zum einen ist es auf Grund der zuvor erwähnten Möglichkeiten zur Einflussnahme von staatlicher Seite – aber auch durch Hacker verschiedenster Couleur mit teilweise sehr undurchsichtigen Motiven – weit davon entfernt, frei oder gar de-reguliert zu sein; und zum Anderen ist der in der Diskussion vorherrschende Pluralismus mit so großen Varianzen gesegnet und die durch geglaubte Anonymität befeuerte Vehemenz der Verbal-Kombatanten so durchdringend, dass eine sinnvolle Diskussion im Sinne einer Konsensfindung nur recht selten stattfindet. Das einzige was an liquid democracy im Moment liquide ist, dürfte wohl der Schnaps sein, den so Mancher offensichtlich etwas zu eifrig konsumiert hat. Anders lassen sich die logischen Inkonsistenzen und der offensichtliche Faktenmangel in so mancher Argumentation kaum erklären.

Die Manipulierbarkeit des technischen Unterbaus gemischt mit einer leider wohl deutlich zu wenig wahrgenommenen Intransparenz bezüglich der wahren Interessen diverser Protagonisten im Web und einem blinden Vertrauen in die Möglichkeiten neuer Techniken lassen eine Gemengelage entstehen, welche das Potential für alte Verbrechen in neuem Gewand in sich trägt: social engineering vom Feinsten.

Und es möchte sich bitte jeder vor Augen halten, dass es, wie beim klassischen Lobbyismus den Vertreter zum Beispiel verschiedener Zweige der Privatwirtschaft seit eh und je betreiben, mitnichten um „das Wohl des Volkes“ geht, sondern um die knallharte Durchsetzung von Partikularinteressen eher wirtschaftlicher Natur. Nur Macht ist dazu angetan, mehr Geld zu erzeugen, denn wenn einer mehr verdienen will, müssen Andere dafür etwas abgeben, weil die Summe der möglichen Wertschöpfung, auch wenn Ökonomen gerne was anderes zu predigen pflegen nun mal endlich ist.

Und so, wie unser Leben im realen Raum davon beeinflusst wird, wie gut oder schlecht ein Staat und seine Institutionen in der Lage sind, ihre Hauptfunktion zu erfüllen, nämlich einen Ausgleich zwischen Einzelinteressen und dem Gemeinwohl zu finden, bilden sich auch im ach so demokratischen Netz Tendenzen der mehr oder weniger subtilen Manipulation und teilweise nur schlecht verhohlener Zensur.

Hüben wie drüben ist es sehr schwer auszumachen, wer was wozu tut oder auch unterlässt, feststellen lässt sich aber, das ein blinder Glaube in die Selbstregulationsfähigkeiten des immer noch neuen Mediums genauso großer Humbug ist, wie Adam Smiths Idee von der „unsichtbaren Hand“, die vollkommen liberale Märkte in der Wirtschaft schon irgendwie ins Gleichgewicht bringen wird – oh Hedgefond ick hör dir trapsen.

Gleichwohl birgt das Internet trotz all seiner Schwächen und Angreifbarkeiten jede Menge Potential zu positiver gesellschaftlicher Veränderung, doch es ist wie mit allen neuen Dingen – um die Probleme und Risiken weiß man erst, wenn das Kind schon mal in den Brunnen gefallen ist. Mit einem Bewusstsein für die Chancen UND die möglichen Probleme kann es dennoch gelingen, das Internet zum ersten echten Medium der Partizipation für ALLE zu machen; der Weg dorthin ist allerdings noch sehr lang und steinig.

PS: Ich empfehle, hierzu etwas von Evgeny Morozov zu lesen.

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