Märchenonkel reloaded – Rollenspiel für Dummies #3

Ich erzähle gerne Geschichten. Ich meine jetzt damit nicht das Seemansgarn, welches manche meiner Kollegen im Beruf gerne zu Besten – manchmal leider allerdings auch zu Schlechtesten – geben; also buntest ausgeschmückte Blaulichtgeschichten, die mit jedem Jahr, das vergeht noch ein bisschen bunter, ausgeflippter, irrer und/oder heldenhafter werden. Sondern vielmehr jene Sorte, die man eher dem Großgebiet der Fantastik zuordnen würde. Nennt es Science-Fiction, Fantasy, Cyberpunk, Splatter, Crossover, Superheros & Supervillains, oder was auch immer, Hauptsache bleibt dabei, dass es nicht zu nahe an meiner persönlichen Lebensrealität dran ist und mir, sowie auch meinen Zuhörern Spaß macht. Ich hatte es schon gelegentlich erwähnt, ich bin Pen&Paper-Rollenspieler und bei diesem Hobby geht es eben genau darum, nämlich gemeinsam Geschichten zu erzählen.

Über die technische Handhabung des Spiels hatte ich schon referiert, also den Umstand, dass man Regeln braucht, damit alle auf der gleichen Basis agieren können, dass man kritische Situationen – man erinnere sich, NICHT der allmorgendliche Weg zur Arbeit, wohl aber die Verfolgungsjagd – auf verschiedene Art handhaben kann, sehr oft aber Würfel hierbei eine Rolle spielen und das der Spielleiter zwar die Eckpunkte der Geschichte erzählt, allerdings die Spieler mit ihren Aktionen die Story verändern, voran- oder aber auch quer-treiben können und somit aktiven Einfluss auf die Umwelt ihrer Charaktere, also der virtuellen Spielfiguren haben. Allerdings ist der mögliche Grad der Einflussnahme ein durchaus nicht wenig konfliktträchtiger Part der Spielgestaltung, da hier Prämissen, Wünsche und Ideologien aufeinander treffen, die gelegentlich nur schwer kompatibel zu bekommen sind.

Leute, die sich schwerpunktmäßig mit Spieltheorie und weniger mit dem Spielen an sich befassen – nach meiner Erfahrung bekommen jene, welche X Spielstile und Y Regelwerke beurteilen zu können glauben nur selten das bessere Rollenspiel hin, was auch immer das in deren Agenda sein mag – benutzen hier gerne das Wort „Erzählrecht“. Dogmatisch verstanden könnte man sagen, dass eben die Aufteilung dieses Erzählrechts zu Beginn des Spiels ausgehandelt und dann stringent eingehalten werden muss, damit sich niemand ungerecht behandelt fühlt. Und da kommen auch schon die ersten Nazgul angaloppiert und versauen einem echt den Tag! Was ist eine gerechte Aufteilung? Der Referee erzählt und nur innerhalb der jeweiligen Spielsituation dürfen die Spieler bzw. ihre Charaktere tun, was sie wollen, sofern es mit dem Verlauf der Geschichte halbwegs konform geht? Oder der Spielleiter gibt nur ein paar Handlungspunkte vor und die Spieler suchen sich dann ihren Weg und handeln ihre „Stimmrechte“ jedes Mal neu aus? Muss man solche Stimmrechte überhaupt von Anfang an vergeben, oder bleiben sie einfach beim SL und er teilt diese Situationsabhängig zu? Will überhaupt jeder ein solches Erzählrecht, oder lassen sich nicht manche einfach lieber vom Referee und/oder ihren Mitspielern „berieseln“ und stellen stets meine Lieblingsfrage: „Kann ich nicht einfach würfeln?“? Klar könnt ihr einfach würfeln, dann muss ich mir aber viel mehr aufschreiben und wieder anfangen, meine Abenteuer/Kampagnen durchzuplanen, worauf ich keinen Bock habe, weil andere Teile der Spielergruppe dann nämlich alsbald das große Murren anfangen, weil IHNEN das aber alles viel zu eng gefasst ist. So ist das mit Prämissen und Wünschen. Von Ideologien will ich noch gar nicht sofort zu reden anfangen.

Ich persönlich schätze es als Spieler, wie auch als Spielleiter, wenn für die Charaktere die Chance besteht, aktiv etwas an ihrer Spielumgebung zu ändern; unter Umständen auch Parameter des Metaplots, ansonsten verlieren nämlich insbesondere diese als episch angelegte Spielszenarien – also die vom Typus „Welche Welt müssen wir denn heute retten?“ – irgendwann ihren Witz, oder sogar gleich ihre Daseinsberechtigung. Niemand will das leckere Essen nur gezeigt bekommen, um dann zusehen zu müssen, wie ein anderer ihm/ihr was vorkaut! Das gilt übrigens nicht nur für die Möglichkeit zur echten Einflussnahme, sondern auch für solche Dinge, wie etwa vom SL ewig lange über wichtige Details des einen selbst betreffenden Teils des Metaplots im Unklaren gelassen zu werden. Eine gewisse Bedrohlichkeit ist in bestimmten Settings einfach ein Muss, man kann es aber auch übertreiben! Ebenso, wie ich es HASSE, wenn die Charaktere bezüglich ihrer verfügbaren Ressourcen die ganze Zeit an der ultrakurzen Leine gehalten werden, aber einen harten Brocken nach dem Anderen zu knacken bekommen; oder aber man ihnen mit den Klunkern vor der Nase rumwedelt, nur um sie dann von einem Anderen abkarren zu lassen. Ein oder zwei Mal ist das ganz OK, danach wird es einfach nur albern, weil sich irgendwann Motivation ins Gegenteil verkehrt, getreu dem Motto: „Kriegen wir ja eh wieder nix von…“

Doch zurück zum Erzählrecht. Wenn ein Spieler etwas in den Plot/das Setting einflechtet, das irgendwie passt, dass stimmig erzählt wird und das die Sache voran bringt, warum sollte ich dann auf mein Recht als SL pochen und es unterbinden? Wichtig ist, das sich dabei niemand benachteiligt fühlt, alle ihren Spaß haben und die Geschichte auch weiterhin funktioniert bzw. sich entwickeln kann. Sind diese Faktoren erfüllt, hat bei mir jeder das Recht zu erzählen. Allerdings würde ich mir das gleiche Recht auch als Spieler wünschen. Aus zwei Gründen: Keine Geschichte ist in Stein gemeisselt! Keine Regel ist in Stein gemeisselt! Was im gedanklichen Kontext des jeweiligen Spielszenarios eine berechtigte Chance auf Erfolg haben könnte, muss auch probiert werden können dürfen! Basta!

Mancher Spielleiter – und vermutlich auch mancher Mitspieler – hasst mich, weil ich a) immer eine Spotlighthure war und bin und b) Sachen versuche, die in keinem Regelbuch VERBOTEN sind. Das mit der Rampensau ist so ’ne Charaktersache, da kann ich einfach nicht anders. Und was das flexible Dehnen von Regeln angeht, bzw. die so nirgends beschriebene Kombination verschiedener Fertigkeiten – ja mein Gott, wenn der Spieldesigner nicht dran gedacht hat, ist er selber schuld! Ob ich damit die Spielbalance schädige, oder nur meinen Charakter, liegt im Ermessen des Spielleiters, aber ehrlich gesagt stehe ich drauf, wenn ich auch mal echt verrückte Sachen probieren darf. Darum zocke ich schon seit fast 25 Jahren: Hier darf ich verrückt sein und Verrücktes tun, ohne dass es irgendjemandem weh tut! Darum – always game on!

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