Zum Medienecho der Polizeiarbeit in Hamburg

Ich hatte mich neulich hier dahin gehend geäußert, dass mehr Pluralismus zu mehr Demokratie führen würde. Ich war in dem Kontext davon ausgegangen, dass Menschen vernünftig genug sind, mit Informationen abseits des Mainstreams klarzukommen. Das sie schon in der Lage wären, auch heikle Situationen mit einer gewissen emotionalen Distanz zu betrachten und Aspekte zu erwägen, die nicht sofort augenfällig sind. Tja, ich habe mich mal wieder geirrt.

Es geht um diesen Artikel http://www.n-tv.de/politik/politik_kommentare/Was-alles-nicht-gesagt-wird-article11969856.html und den polemischen Scheiß, den so mancher dazu abgesondert hat. Ich finde es ernüchternd, dass man sich nicht die Zeit nimmt, kurz darüber nachzudenken, dass es eventuell möglich wäre, dass auf beiden Seiten Fehler gemacht wurden.

Dass so genannte Autonome, gerne als „der schwarze Block“ bezeichnet, jede sich bietende Gelegenheit wahrnehmen, ihr verdrehtes Verständnis von zivilem Ungehorsam auszuleben – vulgo: sinnlos randalierend und zerstörend durch Leben und Eigentum Unbeteiligter zu marodieren, ohne Rücksicht auf deren Gesinnung und/oder Engagement – dürfte wohl ziemlich klar sein. Auch mir fällt es sehr schwer, darin irgendeine, sinnvolle politische Meinungsäußerung zu entdecken. Diese Menschen sind für mich nicht mehr als Hooligans, die sich gerne als Opfer des brutalen Staates inszenieren. Wir könnten ein paar von denen nach Thailand, in die Ukraine oder sonst wohin exportieren, damit sie dort Erfahrung mit Polizeibrutalität sammeln können. Würde der „Bewegung“ sicher gut tun.

Allerdings ist auch mir die Berichterstattung zu einseitig. Jeder halbwegs denkfähige Mensch weiß, dass es andere Menschen gibt, die Böse sind; also borniert, engstirnig, gewaltbereit, allem Unbekannten gegenüber feindselig und mit einer Gesinnung gesegnet, die aus demokratischen Erwägungen heraus als fragwürdig bezeichnet werden muss. Jeder kennt solche Menschen und jedem sollte eigentlich bewusst sein, dass es solche Menschen folglich auch in jedem Beruf gibt. Ich hatte und habe Kollegen, die so sind und ich durfte auch schon Polizisten kennen lernen, die so sind; zumindest haben sie so agiert, dass man das annehmen musste. Und genau deshalb halte ich die These von einer unnötig frühen Eskalation für denkbar. Würde man das Zünden von Bengalos immer mit Wasserwerfern unterbinden, könnte man mit der Übertragung von Fußballspielen hierzulande wohl nicht mehr all zuviel Geld verdienen, weil kaum eines zu Ende käme…

Ich weiß, aus eigener Anschauung, dass die verbale, psychische und physische Gewalt gegen Polizisten im Einsatzdienst mittlerweile ein kaum mehr erträgliches MAß angenommen hat und das viele Kollegen in Blau darum mittlerweile einen instinktiven Beißreflex gegen die öffentliche Kritik an ihrer Arbeit entwickelt haben. Zu oft sind sie die Prügelknaben der Nation. Dennoch ist es essentieller Bestandteil vitaler demokratischer Prozesse, seine Meinung äußern zu dürfen, auch wenn sie quer zur „öffentlichen Meinung“ steht – was auch immer das sein mag, in einer Welt, in der eben dieser Mainstream-Konsens von Lobbyisten hergestellt wird. Und deshalb finde ich es ehrlich armselig, wenn man einen Journalisten, der sich traut, eine konträre Position einzunehmen, um eben gerade zum Nachdenken anzuregen quasi televerbal bedroht. Denn seine Position hat nichts damit zu tun, dass die Polizei schlecht und böse wäre, sondern damit, dass anscheinend Teile der in Hamburg eingesetzten Polizisten – aus welchen Motiven heraus dies auch geschehen sein mag – falsch reagiert und damit die Eskalation befeuert haben. Wer damit nicht klar kommt, sollte bitte noch mal Im Grundgesetz die Artikel 5 und 8 lesen und darüber nachdenken, warum unsere Verfassung diese enthält.

Was mich betrifft: ich halte die unabhängigen Schilderungen der Vorgänge, welche im Netz an verschiedenen Stellen zu finden sind, für höchst plausibel und denke, dass man in Hamburg von Polizeiseite einsatztaktische Fehler begangen hat, die der von vornherein gewaltbereite Teil der Demonstranten als willkommene Aufforderung zum Tumult genutzt hat. Die Verletzten und den Sachschaden macht das nicht weniger bedauernswert, aber es zeichnet eben ein anderes Bild. Zu der Frage, ob die Polizei sich tatsächlich als politischer Akteur verhält, mache ich mir demnächst weiterführende Gedanken, einstweilen ruhige Feiertage, die zum Nachdenken anregen, sofern der Bauch nicht schon zu voll ist…

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