Optimal ist aus!

Irgendjemand hat neulich mal zu mir gesagt, dass ich ihm ein bisschen vorkäme, wie Jason Stathams Charakter in „The Transporter“. Natürlich weder so athletisch, noch so kampferprobt, dazu habe ich die letzten Jahre ein wenig zu gerne gegessen und ein wenig zu ungern trainiert. Aber ich sei ähnlich akribisch im Streben nach dem Optimum. Das bezog sich in der Hauptsache auf mein berufliches Tun, aber letztlich musste ich nach einer Weile des Sinnierens feststellen, dass das auch für andere Bereiche meines Lebens zutrifft; dieser Drang 100% zu erreichen. Diese 100% bedeuten für mich, aus dem Wenigen das manchmal zur Verfügung steht – an Ressourcen, an Zeit, an Ausrüstung – das mögliche Optimum zu erzielen. Es geht also um Effizienz. Oder besser darum, dass man ein solches Maß an Effizienz nicht ohne Unterstützung und vor allem nicht dauernd bieten kann, egal wie sehr man sich auch anstrengen mag. Doch von dem rationalen Begreifen dieses Faktums bis zum emotionalen darauf einlassen ist es ein weiter und steiniger Weg…

Der „Transporter“ hat ein paar Regeln, an die er sich immer hält; bis zu diesem einen Tag, als er nicht ignorieren mehr kann, dass seine Fracht in einer Notlage ist. Dieses Bild lässt sich ebenso übertragen, nur dass es bei der Notlage nicht um eine fremde Person, eben das Paket im Kofferraum eines großen Audis geht, sondern um einen selbst. Ich wünschte wirklich, ich könnte sagen, dass mir der Vergleich schmeichelt, doch irgendwie symbolisiert dieses Fixiert Sein auf Akkuratesse, auf Effizienz und Geschäftsmäßigkeit im Fremdbezug zwanghaftes Verhalten. Ich habe zwar keine schwarzen Anzüge in Reih und Glied im Schrank hängen, doch der sanfte Anklang eines zwanghaften Verhaltens hinsichtlich meines Dranges, immer das Beste erreichen zu wollen, ja zu müssen lässt sich leider kaum verheimlichen.

Jeder hat Idealvorstellungen von bestimmten Orten, von bestimmten Zuständen und Zielen, von sich selbst im Kopf, die einen manchmal dazu bringen, Dinge zu tun, egal ob diese nun gut für einen sind oder nicht. Mein Selbstbild, so wie es jetzt ist, verlangt von mir diese Effizienz, 100% der Mann zu sein, den Andere in mir sehen sollen; ein Vorbild, ein verlässlicher Kollege, bzw. Partner, ein Fels in der Brandung, eine Art Marke, sowohl als Orientierungspunkt, als auch symbolisch, wie bei einem Markenzeichen. Insbesondere wenn ich junge Berufsanfänger auf ihren Wegen ein Stück begleite. Leading bei example, was natürlich verlangt, ein gutes Beispiel zu geben. Dabei bin ich in den letzten anderthalb Jahren regelmäßig über meine eigentlichen Belastungsgrenzen hinausgegangen, habe mich immer wieder motiviert, dass die Durststrecke schon bald vorüber sein werde, dass auch wieder bessere Zeiten kommen, dass am Ende schon alles gut wird. Doch das erhoffte Ende, der ersehnte Wandel sind nicht in Sicht; und ich am Grunde des Fasses angelangt, aus welchem ich bis zuletzt weiter geschöpft habe. Doch meine Reserven sind erschöpft, meine Zuversicht beim Teufel und mein Optimum… tja, ich weiß nicht, ob ich nochmal dahin komme, nein nochmal dahin kommen will.

Denn würde ich alsbald so weiter machen, wie bisher, würde ich in zwei, vielleicht drei Jahren, wahrscheinlich aber viele eher wieder da stehen, wo ich jetzt bin und das will ich nicht, weil ich Verantwortung habe; für mich, meine Familie und meine wahren Freunde an allererster Stelle. Erst weit danach kommen all Jene, denen ich nebenher immerzu auch gegeben habe. Es wird mir – zumindest anfangs – wehtun und es wird ihnen wehtun, aber ich muss mich ändern. Ich muss und werde ein Anderer werden, weil ich sonst an meinem alten Ich kaputt gehen werde. Und wenn der eine oder andere zu mir kommen und mich anmachen wird, das ich mich verändert hätte, so werde ich vielleicht nicht gleich darauf scheißen, sondern erst, wenn derjenige sich selbst auch mal gefragt hat, ob sein eigenes Ich denn so richtig in Ordnung ist, und danach immer noch rumnölt.

Wir als Menschen sind soziale Wesen; wir haben einen hoffentlich halbwegs festen Charakter und sind doch auch immer einem Veränderungsprozess unterworfen, der unsere Beziehungen stets mit verändert. Motor dessen ist, wie ich vermute, die ungebrochene Bestrebung des Menschen nach Veränderung, vor allem nach Verbesserung. Doch auch wenn man es schafft, für sich selbst das in unserer Zeit leider wildwuchernde Primat der Notwendigkeit zur Selbstoptimierung zu verneinen, steckt man immer noch im sozialen Geflecht und wird sich Anfeindungen ausgesetzt sehen, wenn man sich den allgemeinen „Standards“ wiedersetzt. Ich sehe mich nun der Notwendigkeit gegenüber, diese Anfeindungen zu ertragen und so herausfinden zu können, wer mir wohl meint und wer nur von meiner Energie partizipieren will. Ich habe ein bisschen Angst davor; trotzdem bin ich gespannt, wohin der Weg führt. Denn wer mich fürderhin begleitet, wird vermutlich, genau wie ich selbst, Überraschungen erleben dürfen…

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