Glaub ich nicht!

Ich habe neulich, wenn ich mich noch recht entsinne, mal geschrieben, dass ich Sakralbauwerke eigentlich fast nur zum Zwecke des Fotografierens betrete. Wenn man mal von den wenigen Gelegenheiten absieht, da Familienfeiern etwas mit einem Kirchgang zu tun haben; Hochzeiten, Weihnachten und so was eben. Für sich betrachtet weist diese Bemerkung auf zwei Dinge hin: meine Liebe zum Fotografieren und mein ambivalentes Verhältnis zur Religion. Bezüglich des Ersteren gibt es, zumindest im Moment wenig zu sagen, da ich weder gut genug bin, um anderen Tipps geben zu können; da gibt es gewiss berufenere Kandidaten. Noch bin ich bereit, meine ganz persönlichen gestalterischen Vorstellungen zu diskutieren. Sie reflektieren meinen Geschmack und über den streitet man nicht.

Mitnichten bedeuten seltene Kirchenbesuche indes, dass ich nicht glauben würde. Würde ich meinen Glauben kurz beschreiben wollen, so würde ich sagen, dass es nach meiner Meinung keines Beweises für das Existieren höherer Mächte bedarf, wenn man glauben will; dass sie sich einem aufmerksamen Beobachter aber zumindest indirekt gelegentlich offenbaren. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass jeder Mensch eine spirituelle Seite in sich trägt, deren Bedürfnisse befriedigt werden wollen. Was man dafür glaubt, oder an wen, spielt somit keine Rolle, sofern man nur einen individuell passenden Fokus für die metaphysischen Aspekte seines Seins zur Hand hat. Heidegger würde mich vielleicht steinigen, aber das ist mir Wumpe. Ich glaube an eine schöpferische Kraft, die jenseits dessen liegt, was wir mit unseren normalen Sinnen erfassen können, die unser Leben manchmal bereichert – z.B. mit Inspiration – uns aber gelegentlich auch prüft! Ich gebe ihr keinen Namen und mache mir kein Bild von ihr, ansonsten war’s das mit meiner Christlichkeit aber auch schon, denn organisierte Religion beglückt mich nur wenig.

Ich sagte, dass wir vermutlich alle das Bedürfnis haben, an etwas zu glauben. Religionen allerdings, oder besser gesagt die Organisation dahinter, also der jeweilige obere Klerus kommen mir mittlerweile vor wie Meth-Dealer. Sie verteilen das Opium für’s Volk – schönen Dank an Karl Marx – bzw. sie delegieren diese Tätigkeit an Menschen, die durch ihre eigene, vermutlich zumeist sehr ehrliche Gläubigkeit andere zum Glauben bringen, oder dies wenigstens versuchen. Dass sie damit jedoch helfen, etwas Freies, zutiefst menschliches durch Liturgien und Regeln in ein Korsett der Konformität und Unfreiheit zwingen, welches lediglich eine andere Art von Kontrolle über das Individuum repräsentiert, ist für mich pure Ironie des Schicksals. Wenn ich mich doch darüber freue, dass jemand an das Gleiche glaubt wie ich, warum muss ich ihm dann Regeln für das richtige Glauben aufzwingen? So oft ich darüber nachdenke, habe ich nie begriffen, warum Menschen sich überhaupt darauf einlassen. Ich meine, beim Steuern zahlen und Gesetze befolgen hat man keine Wahl. Was aber auch gut ist, weil die Gesetze einem friedlichen Koexistieren dienen und die Steuern einerseits helfen, soziale Härte zu dämpfen, andererseits Zugang zu Bildung, Grundversorgung und Infrastruktur sicherstellen sollen. Dass das nicht immer so klappt, wie ursprünglich gedacht, steht auf einem anderen Blatt…

Beim Glauben jedoch, der etwas sehr persönliches ist, gibt man seine Autonomie frohen Herzens an jemanden, dessen Intentionen nur schwer zu durchschauen sind? Und das womöglich als notorischer Steuerhinterzieher? Seltsam, oder? Nun ist es ja so, dass die Kirchen für sich beanspruchen, moralische Instanzen zu sein, Institutionen, die zu den Fragen nach dem Sinn (die sich jeder stellt) und nach Maßstäben für das Handeln auch in extremen Situationen für jeden gültige Antworten parat haben. Aber ist das tatsächlich so?

Es erscheint uns oft so, als wenn die Verlautbarungen der Kirche zu den verschiedensten Fragen des Alltags von einer gewissen Gestrigkeit umwölkt wären, von einem wenig realistischen Blick auf das Hier und jetzt. Als wenn die Interpretation alter Schriften und Doktrinen wenig Fruchtbares zu den Problemen der Neuzeit beizutragen hätte. Manchmal ist das auch so, wenn man sich zum Beispiel ansieht, wie die Frau Käßmann sich mit ihrem Kaffeehauspazifismus vergaloppiert hat. Oder an denen Dogmen der katholischen Kirche rings um Alles, was mit der Ehe und dem Beischlafe zu tun hat. Doch gibt es tatsächlich Fragen, die uns neu erscheinen, aber in Wirklichkeit verdammt alt sind und denen man durchaus mit den moral-ethischen Mitteln älteren Datums beikommen kann. Aber die Fähigkeit, Überliefertes richtig transponiert, richtig dosiert im richtigen Moment anzuwenden, die scheint Mangelware zu sein. Ein Grund, weshalb mich organisierte Religion so wenig beglückt.

Ich brauche zum glauben keine Bauwerke, obwohl mich die Hingabe, mit der Glaube in vergangenen Generationen zu Stein geworden ist immer wieder fasziniert. Ich brauche zum glauben keine Regeln und will folglich auch keine, verstehe aber Menschen, die in der Gemeinschaft, welche eine Liturgie und ein besonderer Ort zu stiften vermögen Trost, Ruhe und vielleicht auch Orientierung suchen. Was mich aber immer wieder irritiert ist der Missbrauch, welchen Religion im Namen dieses oder jenes Ziels erfährt; der Missbrauch, der uns als Weltgemeinschaft mit dem Schrecken des Terrors überzieht. Ist es nicht immer wieder erschreckend, wie wenige faule Äpfel man braucht, um eine Kiste zu verderben; manchmal reicht ein einziger. Denn da wo die Religion missbraucht wird, um falsche Wege aus säkularem Elend zu weisen, degeneriert das, was die Irregleiteten nun als ihren Glauben wahrnehmen, zu einer Schimäre, die so vieles verspricht und doch nichts hält; verbreitet von falschen Propheten. Dieses Missbrauchspotential, das jeden Tag irgendwo von irgendwem auf irgendeine Art ausgeschöpft wird ist es, was mich von der organisierten Religion wegtreibt. Und ich meine damit beileibe nicht nur islamische Hassprediger, obwohl bestimmt so mancher gerade jetzt an gerade die gedacht hat! Aber jede Art von organisierter Religion konnte und kann so ge- bzw. missbraucht werden. Darum glaube ich nicht, dass ich so bald zum Gläubigen im kirchlichen Sinne werde. Und was glaubt ihr so, dass ihr glaubt…?

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