Veggie-Bashing

Zunächst ein Bekenntnis: ich mag Fleisch. Kann sein, dass dies heutzutage bereits einen Grad an politischer Unkorrektheit konstituiert, für den mich irgendwer maßregeln möchte, aber zum einen ist das hier tatsächlich weitestgehend noch ein freies Land und überdies scheren mich in diesem Punkt üblicherweise anderer Leute Meinungen recht wenig. Nicht etwa, weil mir die Verbrechen, welche in der Lebensmittelindustrie an Tieren begangen werden egal wären, sondern weil ich mir des Umstandes bewusst bin, dass erst der Verzehr von Fleisch die Hominiden zum Homo Sapiens hat reifen lassen. Und auch, wenn so manche „Errungenschaft“ des Menschen besser unentdeckt und auch unverwirklicht geblieben wäre, so bin ich doch recht glücklich damit, ein halbwegs intelligentes, empfindungsfähiges Wesen zu sein. Andererseits wüsste ich vermutlich nicht, was mir fehlte, wenn ich’s nicht wäre, also was soll‘s…

Mir ist allerdings in letzter Zeit ein Trend aufgefallen, ausgerechnet mir, der von Trends so viel Ahnung hat, wie eine Kuh vom Fliegen. Aber tatsächlich scheint es derzeit en vogue zu sein, Vegetarier eher aber noch Veganer generell mit dem Verdacht des rechthaberischen Dogmatismus und der Arroganz zu strafen. Ich will gestehen, dass ich schon Vegetarier kennengelernt habe, die ein geradezu zwanghaftes Sendungsbewusstsein hatten. Aber diese waren in der Minderzahl und die üblicherweise pragmatisch, sachlich und freundlich vorgetragenen Argumente der anderen Fleischverschmäher waren für mich stets verständlich. Ich teile deren Standpunkte zwar nicht, habe aber Verständnis; und was die Massentierhaltung angeht: Discounterfleisch versuchen wir langsam aber sicher durch Bio zu ersetzen. Man isst heute eh tendenziell zu viel Fleisch.

Was aber nun das Veggie-Bashing an sich angeht, habe ich den Verdacht, dass es dem Feuilleton im Moment einfach an guten Feindbildern fehlt. Die Griechen werden schon von den Kollegen der Politik- und Wirtschaftsressorts abgearbeitet, gleiches gilt für TTIP (wenn sich überhaupt jemand dafür interessiert), die ganze Streikerei, und so weiter. Man kann sich ja nun aber nicht immer nur mit Hochkultur befassen, oder Kunst- und Kulturschaffende beleidigen, die nicht der Kritik schmeicheln, also generiert man eine schöne Leinwand, auf die man ein bisschen selbstgerechten Hass projizieren kann. Veggies bilden nämlich eine gesellschaftliche Minderheit, bestimmte Stereotypen, die man mit ihnen in Verbindung bringt, taugen zur Stigmatisierung, et voilá, fertig ist das Feindbild. Schon seltsam, dass ausgerechnet Menschen, die sich im Grunde für eine bessere Welt engagieren, so leicht zur Blaupause einer Hassfigur werden können, nicht wahr…?

Alles halb so wild, werden jetzt andere abwinken. Lasst die Journaille doch ein bisschen die Veggies bashen, tut keinem weh, kostet kein Geld extra, ist irgendwie auch ein bisschen lustig, oder? Nö, ist es nicht! Es mag kein Geld kosten und im ersten Moment wirken manche Artikel unterhaltsam und irgendwie richtig. Denkt man aber einen Moment länger darüber nach, entdeckt man billigen Populismus übelster Machart. Töne, wie sie die AfD anschlägt. Denn dumpfe Feindbilder erzeugen Hass, der das Denken vernebelt, die Wahrnehmung manipuliert und unser Land zu einem noch etwas schlechteren Ort macht. Aber Toleranz nicht nur buchstabieren, sondern auch leben ist wohl eine Fähigkeit, die uns immer mehr verloren geht. Wie dem auch sei, ich es jetzt erst mal ein vegetarisches Gyros. Probiert’s doch auch mal, erweitert den Horizont.

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